eAU durch Personal

Alles rund um das Thema Arztpraxis. Hier ist aber auch Platz für Belangloses, Nebensächliches und Politisches

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scottsdalegirl
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eAU durch Personal

Beitrag von scottsdalegirl »

Guten Abend!

Wir hatten neulich eine Patientin, die an der Anmeldung "schnell" eine eAU für ihren an Covid erkrankten Mann haben wollte. Dazu ist bei uns ein (auch telefonisch natürlich) Arzt-Patienten-Kontakt nötig. Das hat sie überhaupt nicht verstanden und sich massiv aufgeregt, dass das seit der elektronischen AU überall ganz unbürokratisch ohne den Arzt erledigt wird. Nur bei uns nicht.

Ich habe daraufhin in den umliegenden Praxen herumgefragt (Hausärzte, Internisten, Kinderärzte). Tatsächlich, was mich sehr überrascht hat, lassen diese Kollegen das alles von ihren MFAs erledigen. 3 Tage dürfen diese ohne Rücksprache krank schreiben, die eAU wird versendet, der Pat. bekommt keinen Ausdruck mehr, dadurch entfällt die Unterschrift. Auch bei Langzeit-Kranken (müssen aber natürlich alle bekannt sein) dürfen die MFAs die AUs einfach verlängern. Die Aussage war, bei täglich mehr als 100 Patienten, die Rezepte, AUs, Physiotherapie etc. wollen, kann der Chef sich mit solchen Kleinigkeiten nicht beschäftigen. Bei einer Verlängerung fragt die MFA nur kurz nach und meistens nickt der Chef das ab.

Wie handhaben Sie das in Ihren Praxen?

Vielen Dank.
Viele Grüße
Scottsdalegirl
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Lazarus
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Lazarus »

Bei uns gibt es immer wieder Ärger mit den Anfordernden (Physio, Podol., Pflegedienste, Apotheken, Schüleratteste,Valium u.s.w.), in der Hinsicht, dass tatsächlich alles ärztlich geprüft wird.
Wir sind in einigen Bereichen bis zu 50% unter dem Durchschnitt, meistens -20% bei gleicher Fallzahl.
Bei eRp hört der Spass dann völlig auf.
Man muss schon etwas mehr gucken, was man so alles genehmigt, Wenn es sich allle gemerkt haben, lässt der Stress langsam nach und alle werden wieder normal in ihren Forderungen.
Gerade bei der Physio machen 5-stellige Regressandrohungen keine Freude, owohl...letzens erzählte mir einer von einem 6-stelligen Regress, groooße Praxis .....
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FortiSecond
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von FortiSecond »

Tipp aus einem ganz anderen Blickwinkel, dem einer Anwaltskanzlei. Wenn sie die Interessen von Arbeitgeber vertreten, kann das aussehen wie auf der verlinkten Seite. Ich mache mir das nicht zu eigen, bin kein Jurist. Es passt aber zu dem, was ich bei KBV und Co. gelesen zu haben meine.

Link: https://www.ra-wittig.de/ratgeber/arbei ... ausstellen
"Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darf grundsätzlich nur von Vertragsärzten erstellt werden."
Und
Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass der AG dem AN vorübergehend eine andere als die ausgeübte Tätigkeit zuweisen kann, so liegt keine AU vor, wenn die Erkrankung den AN nicht daran hindert, den anderen Aufgaben nachzukommen. Auch das hat der anordnende Arzt zu bedenken und zu erfragen, bevor er eine AU-Bescheinigung ausstellt. Eine solche Ermittlung findet in der Praxis kaum statt, zumal der AN selbst oft gar nicht weiß, welche anderweitigen Beschäftigungen ihm von dem AG zugewiesen werden könnten, und umgekehrt der AG zwar Kenntnis von den betrieblichen Einsatzmöglichkeiten, nicht aber vom Gesundheitszustand oder Grund der Krankheit hat. Um diesen Missstand zu beseitigen, empfiehlt es sich als AG in bestimmten Fällen mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufzunehmen und ihm die betrieblichen Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen und AN sollten ihren Arzt immer fragen, welche Tätigkeiten noch ausgeübt werden können.

Abgesehen von rechtlichen Regelungen und der weitläufig gelebten abweichenden Praxis sollte man sich überlegen, wer von einer AU betroffen ist und was dabei schiefgehen kann.

1) Patient (und Krankenkasse)
- Eine (e)AU führt zu unvorhersehbaren Folgeaktivitäten der Krankenkasse. Bei einer Test-eAU habe ich mir einen "Biss durch Menschen" attestiert, diese eAU sofort wieder (erfolgreich) storniert. Drei Tage später lag der Unfallfragebogen (Fremdverschulden?) im Briefkasten.
Und meine Schwangerschaft, ebenfalls innert 5 Minuten storniert, führte zu Post für die Praxis. Seitdem nur noch TK-Mustermann...
Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich "Tod" eingegeben hätte. :)
- Schlimmer: Statt Schnupfen versehentlich eine kritische Diagnose kodiert. Das hat potenziell Folgen für Kreditwürdigkeit/Restschuldversicherungen, Zusatzversicherungen, Lebensversicherungen, Risiko-LV. Im Leistungsfall kann dann unter Umständen eine unrichtige Beantwortung der Gesundheitsfragen im Raum stehen.
- Krankengeldfragen (ist konstruiert bei AU für drei Tage durch MFA, aber kann sich aufsummieren bei manchen Patienten)

2) Arbeitgeber
- AU = Lohnfortzahlung. AU unberechtigt = Schadenersatzpflicht? Verstoß gegen Berufsordnung? Gefährliches Pflaster
- Aufkommende Zweifel können unbequeme Fragen zur Folge haben

3) MFA
- Gefälligkeitsbescheinigungen am Arbeitgeber vorbei? Selten dämlich, leider nicht so selten von gehört.
Krasses Beispiel sind AU-Bescheinigungen für die eigene Familie und deren Freunde (gegen Entgelt!).

4) Man selbst
All das da oben kann zu unnötigen, lästigen oder gar existenzbedrohenden Konsequenzen führen. Damit tut man sich selbst keinen Gefallen, und fällt den sorgfältig arbeitenden Angestellten in den Rücken.

Daher mein Appell: Nicht einmal daran denken, eine eAU oder ein E-Rezept ohne eigenhändige Prüfung rauszuschicken. Am besten auf eHBA umstellen und die PIN keinesfalls weitergeben, auch nicht an andere Ärztinnen/Ärzte einer GP oder PG.
Vorbereitung ist ja problemlos, aber jede ausgehende Bescheinigung sollte gesichtet sein. Man haftet ja doch selbst, und Durchgriff bei Vermögensschäden ist oft nur eingeschränkt möglich.
--
Hinweis: Die Kraft kehrt zurück...
Johnny
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Johnny »

Moderne Technik, Schnelllebigkeit, Digitalisierung wie Schall und auch Rauch, kein physischer Nachweis mehr von Belegen. :twisted:
Das ist das Ende (bewußt von oben gewollt?) des täglichen Mitteinenaders. Alles muß immer gut durchdacht und geprüft werden. da bietet das langweilige träge Papier doch den Vorteil beim Schreiben über alles nachzudenken, nachzufragen, die Umstände gedanklich mehr zu erörtern und zu sortieren. Der Mensch ist das schwächste Glied, weil eben nicht digital und langsam. :oops:

Beim Husch , husch des digitalen Zeitalters bleibt letzlich der Mensch auf der Strecke - mental und später finanziell, pleite. :mrgreen:

Grüssse aus Kiel
Johnny
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Donkey Schote »

FortiSecond hat geschrieben: Mittwoch 16. Oktober 2024, 00:03 3) MFA
- Gefälligkeitsbescheinigungen am Arbeitgeber vorbei? Selten dämlich, leider nicht so selten von gehört.
Krasses Beispiel sind AU-Bescheinigungen für die eigene Familie und deren Freunde (gegen Entgelt!).
Den Fall hatte ich leider gerade in meiner Praxis. Leider nicht nur AUs, sondern auch Rezepte auf Verwandte und Bekannte, und nicht nur "Kleinigkeiten" wie Ibuprofen, sondern auch richtige Hämmer wie Tilidin, Tramadol und zuletzt auch Wegovy. Ging wohl schon über Jahre so, mein Vorgänger hat davon wohl tatsächlich nichts gewusst (die betreffende Helferin hat die entsprechenden Einträge immer gleich aus dem System gelöscht) - bin ihr eigentlich nur darauf gekommen, als ich zufällig ein ausgedrucktes (!), nicht von mir autorisiertes Rezept auf der Rezeption gesehen habe - ausgestellt auf ihren Bruder (der von nichts wusste). Die Dame hat natürlich alles dementiert, aber dann habe ich mal ein bisschen in der Journalfunktion gestöbert (von deren Existenz wusste wohl weder mein Vorgänger noch die anderen Helferinnen) und siehe da - für fast alle Familienangehörigen wurden Rezepte ausgedruckt (sogar für die kürzlich verstorbenen Oma!) und gleich darauf wieder gelöscht. Dutzend-, wenn nicht hundertfache Unterschriftenfälschung, Sozial- und Arbeitszeitenbetrug (ihre eigenen AUs hat sie natürlich auch manipuliert). Fristlose Kündigung und eine Anzeige bei der Kripo ist auch sofort rausgegangen. Vorgänger und Personal sind aus allen Wolken gefallen. Anwalt ist auch eingeschaltet. Nichts, was man braucht - erst recht nicht, wenn man gerade frisch eine Praxis übernommen hat. Das Allererste was ich gemacht habe war, jedem einen persönlichen Login zu geben. Die haben tatsächlich bis jetzt alle mit einem einzelnen Login (natürlich der unveränderte Login ab Werk) gearbeitet, was beim Prozess schwierig werden dürfte - aber immer nur sie und ihre Angehörigen, und vor allem zu Uhrzeiten wo sie alleine in der Praxis war, da ist die Indizienlast schon ziemlich erdrückend.

Also, im eigenen Interesse: Ruhig mal Rezepte auf Plausibilität überprüfen und vor allem die Journalfunktion benutzen. Oder Datenbankviewer drüberlaufen lassen und gelöschte Einträge genauer anschauen.
DON'T PANIC.
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von scottsdalegirl »

Bei mir war es umgekehrt, als es noch die Praxisgebühr gab. Ich wollte die Kasse nie machen, wurde aber dazu bestimmt. Eines Tages fehlten 100 Euro. Der Chef beschuldigte mich vor allen Leuten des Diebstahls. Ich war verzweifelt und konnte mir den fehlenden Betrag nicht erklären.
Am nächsten Tag kam er zu mir - er habe die 100 Euro in "dem" speziellen Fach seiner Geldbörse gefunden und sich erinnert, dass er es für einen Einkauf am Abend aus der Kasse genommen hatte.
Keine Entschuldigung. Keine Aufklärung. Seine Frau hat um Verzeihung gebeten.
Von dem Tag an habe ich jede Beteiligung an Bargeld verweigert. Das ist jetzt 25 Jahre her.

Und ausbaden müssen die Konsequenzen immer die Ehrlichen, die ihre Seele für den Arbeitsplatz geben würden.
Viele Grüße
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Andreas »

Hallo,
wo finde ich denn dieses "Journal" ??
freundliche Grüsse
Andreas
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Donkey Schote »

Andreas hat geschrieben: Freitag 6. Dezember 2024, 11:50 Hallo,
wo finde ich denn dieses "Journal" ??
Bei meinem Arztsystem (Albis) muss das Journal für den jeweiligen Patienten erst erstellt werden (Shift + F7, dauert mehrere Minuten). Alternativ kann die Datenbank mit einem entsprechenden Viewer durchsucht werden (ich habe DBF Viewer 2000), bei mir ist das <Laufwerk>:\Albiswin\DB\BEFUND.dbf. Bei anderen Arztsystemen ist das wahrscheinlich anders, da würde ich dann in der entsprechenden Dokumentation schauen bzw. den Support anrufen. Ich würde wenn es geht gleich die Datenbank direkt durchsuchen, da kann man dann auch relativ zügig nach Stichworten suchen und ob entsprechende Einträge gelöscht wurden oder nicht, so bin ich unserer (ehemaligen) Arzthelferin auch draufgekommen, dass sie primär ihre Angehörigen mit Stoff versorgt hat.
DON'T PANIC.
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Johnny »

Danke @Donkey Schote

das mit dem Journal ist sehr interessant. :-)
Das müßte es auch für TurboMed geben, nehme ich an oder? :o :oops:

Wer weis bescheid? Wohl nur CGM selbst! :lol:

Danke
Grüsse aus Kiel
Johnny
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Re: eAU durch Personal

Beitrag von Donkey Schote »

Johnny hat geschrieben: Freitag 6. Dezember 2024, 21:35 Danke @Donkey Schote

das mit dem Journal ist sehr interessant. :-)
Das müßte es auch für TurboMed geben, nehme ich an oder? :o :oops:
Keine Ursache. Habe ein Video gefunden, wie man das bei Turbomed aufruft:
DON'T PANIC.
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